Die Welt der Werbung, die Werbung der Welt
Die Überschrift verspricht mehr, als hier gehalten wird. Macht nichts. Sie ist ja mehr oder minder die Werbung für den Artikel. Ganz daneben liegt sie dennoch nicht, geht es doch schließlich auch um die Art und Weise, wie die Zeitung Die Welt mit ihrem eigenen und dem werblichen Inhalt umgeht.
Ich habe hier letztens ein Plädoyer für die Werbung gehalten. Inbrünstig hab ich geschrien: Endlich Werbepause! Von Herzen hab ich’s gemeint! Und doch beschleicht mich der Gedanke, dass es eventuell auch Werbung geben kann, die sich unangenehm aufdrängt.
Online zum Beispiel. Es ist verständlich, dass Unternehmen oder Personen, die Inhalte gratis verbreiten, oder gar selbst erstellen, gerne Geld verdienen möchten. Geld verdienen müssen. Und Werbung funktioniert da offensichtlich besser, als den Leser/Kunden zur Kassa zu bitten.
Normale Bannerwerbung stört mich dabei auch nicht sonderlich. Ich halte es auch aus, dass ich im ganzen Netz von Amazon-Produkten verfolgt werde, nur weil ich einmal in einem schwachen Moment danach explizit gesucht habe. Was tatsächlich nervt, ist Werbung, die mich daran hindert, den Content zu sehen/lesen/hören.
Letztens besuchte ich die Webseite der Welt und las dort einen mehr oder weniger interessanten Artikel, bzw. ich wollte ihn lesen. Denn plötzlich — wie aus dem nichts — ging ein Video über dem Content auf, auf dem dann ein Werbeclip lief. Laut war er, verstörend in dem Moment, den ich eigentlich in Ruhe lesend verbringen wollte. Ich hatte nirgends hingeklickt. Und nun musste ich, wenn ich weiter lesen wollte, diese Werbung ansehen. Airbnb nämlich. Diese Arschlöcher wollen zwar, dass ich mit ihnen meinen Urlaub verbringe, aber die Ruhe zu lesen vergönnen sie mir nicht.
Ich war verstört und verärgert. Über beide. Über die Welt, die es anscheinend in Ordnung findet, dass man ihre Artikel nicht genießen kann (das sagt auch etwas über die eigene Wertschätzung aus), und über den Ferienwohnungsanbieter Airbnb, der es in Ordnung findet, seine potentiellen Kunden in einem Moment anzuspringen, in dem diese eigentlich ganz was anderes wollen. Wie diese Fensterputzer an den Ampelkreuzungen. Kaum bleibt man stehen, verschmieren sie die Fenster und wollen Geld.

Journalismus und Werbung. Ein tolles Team. Foto: meiersreisezummond.at
Es gibt nun eben diese zwei Seiten, die Werbenden, die vermutlich jeden Platz nehmen, den sie kriegen können, und die Werbeplatz-Gebenden, die offensichtlich mehr und mehr dazu übergehen, den eigenen Inhalt dem bezahlten Werbecontent zu opfern.
Das wird Folgen haben. Journalismus, der immer untrennbar mit einem Bombardement von stumpfen Werbeslogans verbunden ist, muss an Glaubwürdigkeit einbüßen. Youtube-Videos, die alle 10 Minuten von einer Werbepause unterbrochen werden, sind mühsam und machen keinen Spaß.
Über die Videowerbungen am Anfang von Videos, die man nach 5 Sekunden überspringen kann, kann man ja noch reden. Da werden die Werbenden wenigstens motiviert, die Werbung so spannend, interessant oder lustig zu machen, dass man sie sehen will. Eine Art Light-Version der viralen Werbung, die sich ja alle so wünschen, aber nur ganz wenige tatsächlich schaffen.
Bezüglich der Werbenden verweigere ich mich der Annahme, dass jeder Kontakt zu Werbung dem Werbenden hilft. Seit einer grandios verstörenden Orbit-Werbung hab ich keinen einzigen Kaugummi dieser Firma mehr gekauft. Seit den „Geiz ist geil“- und „Kauf dich glücklich“-Kampagnen versuche ich, Media Markt und Saturn zu meiden. Nur weil der Name sich ins Hirn brennt, erzeugt das noch lange nicht Sympathie. Werbung, die mich für blöd verkauft, kann sich schleichen.
Aber es ist klar: Die Werbeindustrie ist im Wandel. Mit Print- und TV-Werbung werden nicht mehr die Massen erreicht. Die Konsumenten haben ihren eigenen Kosmos erschaffen, in dem sie sich bewegen, da wird nun eben nicht jeden Abend der Fernseher eingeschaltet und jedes Wochenende der Kurier von vorne bis hinten durchgeblättert. Nein, am Klo werden die interessant wirkenden Links auf Twitter angeklickt. Oder an der Straßenbahnhaltestelle. Nichts mit Durchblättern und Berieseln, da wird aktiv ausgesucht. Deshalb muss sich die Werbung aufzwingen. Der Content ist die Belohnung dafür, dass man die Werbung aushält. Meine Aufmerksamkeit ist der Preis, mein Ärger das Trinkgeld. Kannste behalten, stimmt schon so. So richtig genossen hab ich’s hier aber nicht.
